Landbewirtschafter in den Fängen von Klima- und Corona-Krise

Wirtschaftspressekonferenz der Land&Forst Betriebe Österreich

Wirtschaftspressekonferenz der Land&Forst Betriebe Österreich

Landbewirtschaftung in den Fängen von Klima- und Corona-Krise

Land&Forst Betriebe Österreich ziehen Bilanz und fordern nationales sowie europäisches Augenmerk!

Wien, 7. Mai 2020

Die Land&Forst Betriebe Österreich ziehen in ihrer traditionellen Wirtschaftspressekonferenz Bilanz und halten fest: Land- und Forstwirte sind in einem Netz von Klimawandel und Corona gefangen!  Langanhaltende Trockenheit, Extremwettereignisse, steigende gesellschaftliche Ansprüche und erschwerte Marktbedingungen machen den heimischen Betrieben das wirtschaftliche Überleben schwer. Die hinzugekommene Corona-Krise verstärkt diese Probleme. Als Lösungsansätze werden ein nationaler Schulterschluss für Wertschöpfung und Regionalität, ein Pakt zur Rettung des Waldes, eine europäische Koordination bei Waldschäden und eine starke Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) gefordert.

„Das Jahr 2019 geht als drittwärmstes Jahr der 252-jährigen Aufzeichnungen in die Geschichte ein. Die langanhaltende Trockenheit, gepaart mit vermehrten Hitzetagen und Extremwettereignissen, erschwert das Leben der heimischen Land- und Forstbetriebe. Ihre Produktionsstätten liegen unter freiem Himmel und sind direkt von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen: Erneute Rekord-Schadholzmengen, zunehmende Schadinsekten, staubtrockene Böden, Waldbrände und Dürreschäden. Das alles macht ein wirtschaftliches Überleben und eine nachhaltige Bewirtschaftung für die heimischen Betriebe nahezu unmöglich. Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht mehr zu leugnen und treffen uns sehr hart“, eröffnet DI Felix Montecuccoli, Präsident der Land&Forst Betriebe Österreich, die Pressekonferenz.

Holzeinschlag – Klimawandel verursacht Rekord-Schadholzmengen

Im Jahr 2019 betrug die österreichische Gesamt-Holzernte 18,9 Millionen Festmeter, das sind um 1,5 Prozent weniger als 2018. Der Klimawandel spiegelt sich jedoch in einer Rekord-Schadholzmenge von 11,7 Millionen Festmeter wider. Diese setzt sich zusammen aus:

  • 4,9 Millionen Festmeter (vorrangig) Borkenkäferholz. Die Hauptschadensgebiete sind dabei das Wald- und Mühlviertel.
  • 6,8 Millionen Festmeter Sturm-, Eis- und Schneeschäden. Dies hauptsächlich in Tirol, Salzburg, Steiermark und Kärnten.

Die Situation in den Nachbarländern stellt sich ähnlich bis noch dramatischer dar und führt zu einem enormen Markt- und Preisdruck.

Außenhandelsbilanz 2019

Österreich importierte 2019 insgesamt 11,1 Millionen Festmeter Rohholz. Hauptimportländer waren Tschechien und Deutschland. Hier sind vor allem die Importsteigerungen aus Tschechien um 15 Prozent und eine Vervierfachung des Imports aus Italien, bedingt durch große Windwürfe 2018 zu beachten. Aus einem Gesamt-Rohholzimport von 11,1 Millionen Festmeter und einem Gesamt-Rohholzexport von 0,9 Millionen Festmeter ergibt sich somit eine Netto-Rohholz-Außenhandelsbilanz 2019 von 10,2 Millionen Festmeter.

Holzpreise auf Talfahrt

Der Jahresdurchschnittspreis für Nadelsägerundholz sank 2019 im Vergleich zu 2018 von 85,6 Euro auf 74,4 Euro pro Festmeter und befindet sich somit seit mehreren Jahren auf kontinuierlicher Talfahrt.

„Wir brauchen Preise am Niveau von 2013 bis 2015 von 90 Euro und mehr, um nachhaltig wirtschaften zu können. Heute befinden wir uns bereits 30 Prozent darunter und die österreichische Forstwirtschaft ist am Verhungern! In den letzten drei Jahren haben heimische Waldbesitzer einen Schaden von rund ½ Mrd. Euro erlitten. Und auch für das heurige Jahr werden weitere hunderte Millionen Euro erwartet. Die negativen Auswirkungen des Klimawandels setzen sich 2020 fort!“, macht der Verbandspräsident auf die prekäre Situation der Forstwirtschaft aufmerksam.

Wir stehen vor einer neuerlichen Borkenkäferkatastrophe

Bereits im Jänner wurde der Borkenkäfer in den österreichischen Wäldern gesichtet. Trockenheit, Hitze, fehlende Niederschläge, Schadinsekten und die damit einhergehenden Herausforderungen wie erhöhe Kosten für Aufforstung, Waldpflege, sinkende Preise, Sortimentsverschiebungen, eine noch nie dagewesene Marktsättigung und erschwerte Arbeitsbedingungen führen zu erheblichen Verlusten bei einem Großteil der Betriebe. Und nun hat auch noch die Corona-Krise die Land- und Forstwirtschaft voll erwischt.

Die Corona-Krise multipliziert die Klimakrise

„Die Corona-Krise trifft die gesamte Wertschöpfungskette Holz massiv! Forstbetriebe kämpfen aktuell mit Arbeitskräftemangel, Nachfragerückgang, erschwerten Aufarbeitungsbedingungen sowie mit Holzpreisen, die im Keller sind und eine Holzernte unrentabel machen. Dennoch machen wir weiter – für die Sicherung der Zukunft unserer Wälder und der nachkommenden Generationen“, beschreibt Montecuccoli die aktuelle Situation.

Lösungsansätze und Forderungen

Für die Lösung all dieser Probleme braucht es laut den Land&Forst Betrieben Österreich folgende Maßnahmen:

1. Nationaler Schulterschluss der Wertschöpfungskette Holz in Österreich!
Ein Bekenntnis für heimische Rohstoffe und gegen den Klimawandel.

2. Pakt zur Rettung des Waldes
Dieser soll einen Fonds zur Rettung des Waldes (1 Mrd. Euro für drei Jahre) beinhalten, Logistikmaßnahmen und Unterstützung, rasche Bewilligung und Finanzierung von Nasslagern, eine sofortige Verlängerung des Biomasseförderung-Grundsatzgesetzes und rasche Umsetzung des Erneuerbaren-Ausbau Gesetzes, die Möglichkeit alternativer Flächennutzung zur Gewinnung von erneuerbarer Energie sowie eine Steuerentlastung für die Land- und Forstwirtschaft.

3.Europäische Koordination der Maßnahmen und Beihilfen

Landwirtschaftliche Bilanz 2019

Obwohl die Ausgangslage 2019 durch den milden Winter und das trockene Frühjahr sehr schlecht war, konnte durch den regenreichen Mai das Schlimmste verhindert werden. Rübenflächen konnten gerettet, Grünfutterlager wieder aufgefüllt werden und Hackkulturen erzielten eine sehr gute Ernte. Im Ackerbau erfuhren die Winterungen einen Schlag durch die lange Frühjahrsdürre. Die Getreideernte war nach zwei trockenen Jahren wieder auf einem durchschnittlichen Niveau. Insgesamt macht sich jedoch der Klimawandel in der Schadenssumme bemerkbar: Von 150 Millionen Euro Schaden 2019 in der Landwirtschaft, waren mehr als 100 Millionen Euro durch Hitze und schlechte Niederschlagsverteilung verursacht.

Heuer ist die klimabedingte Situation der Landwirtschaft abermals sehr ernst. Die Winterungen haben bereits erheblichen Schäden erlitten und wenn es nicht bald ausgiebig regnet, sind auch die Sommerungen, speziell die Hackkulturen, in Gefahr. Zusätzlich nehmen Anzahl und Vielfalt der biotischen Schädlinge zu, so dass ein ausreichender Pflanzenschutz immer schwieriger wird. Der erste Schnitt im Grünland steht in vielen Gebieten Österreichs vor einem Totalausfall.

„In diesem Jahr spielt neben dem Klimawandel auch die Corona-Krise eine große Rolle in der Landwirtschaft. Die Betriebe spüren die Handelshemmnisse und Grenzschließungen besonders stark, Ackerbau-Betriebe sind mit längeren Lieferzeiten und Preisschwankungen bei Saatgut und Düngemittel konfrontiert, von der Gastronomie abhängige Landwirte kämpfen mit extremen Umsatzeinbußen und auch ein Arbeitskräftemangel ist großflächig zu spüren“, erklärt Zeno Piatti-Fünfkirchen, MMSc, Vizepräsident der Land&Forst Betriebe Österreich die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Landwirtschaft.

Im Hinblick auf den Klimawandel und den zahlreichen zusätzlichen Herausforderungen verbildlicht der Vizepräsident: „Momentan fahren wir weiterhin 140 km/h auf einer vierspurigen Autobahn, von der wir wissen, dass sie demnächst in einen rumpligen Feldweg übergeht. Zahlreiche Ausfahrten zeigen sich, aber das Lenkrad wird nicht umgerissen. Es bleibt nicht mehr viel Zeit dies zu tun!“

Piatti-Fünfkirchen macht zudem auf die Rolle Österreichs auf dem internationalen Markt aufmerksam: „Österreich ist seit Jahren geprägt von einer starken Verarbeitungsindustrie und einem konstant hohen Exportanteil. An dieser Stelle gilt es zu betonen, dass Österreich ein Exportland ist und deshalb sein wirtschaftlicher Erfolg sehr stark von einer reibungslosen Integration in internationale Märkte abhängt. Dies gilt auch für agrarische Produkte.“

Europäische Entwicklungen

Die Land&Forst Betriebe Österreich geben in ihrer Pressekonferenz ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union ab, denn „für die Lösung der globalen Probleme brauchen wir internationale Koordination, Kooperation und Integration. Der Erfolg von Maßnahmen gegen globale Probleme wie etwa Klimawandel, Corona und Co, hängt davon ab, dass Akteure ihre Bemühungen global vervielfachen.“

Der European Green Deal ist hierfür ein zukunftsweisendes Instrument, das mit den einzelnen Strategien wie Farm2Fork, Biodiversitätsstrategie oder Forststrategie klare Absichten im Kampf gegen Klimawandel, Biodiversitätsverlust etc. erkennen lässt und sehr wahrscheinlich große Priorität bei der Ausgestaltung der neuen GAP haben wird. Für die Umsetzung der Green-Deal-Maßnahmen braucht es jedoch eine detaillierte Analyse, denn voreilig definierte Prozentsätze führen zu Zielkonflikten und nachteiligen Effekten.

Eine GAP, die Einkommen ermöglicht

Bei der Gemeinsamen Agrarpolitik zeichnet sich eine zweijährige Übergangsfrist ab. Im Sinne der langfristigen Planungssicherheit in der Landwirtschaft muss für diese Übergangsfrist klar sein, dass die alten Spielregeln weiterhin gelten. Ansonsten stehen neben zwei wertvollen Arbeitsjahren auch Betriebsexistenzen und das Vertrauen der Landwirte auf dem Spiel. Um den betriebswirtschaftlichen Druck auf die Betriebe einzudämmen, müssen alle neuen umweltrelevanten Ambitionen finanziell abgedeckt sein und ohne Ausnahmen, Obergrenzen und Einschränkungen abgegolten werden. Instrumente wie Capping sind vor allem auf nationaler Ebene kontraproduktiv, da sie zu einer Schwächung der Haupterwerbsbetriebe führen und im Gegenzug niemanden helfen.

Die Land&Forst Betriebe Österreich sind die freiwillige Vereinigung österreichischer Landbewirtschafter, mit der Zielsetzung, Österreichs Wälder und Felder als betriebliche Grundlage und gesellschaftlichen Mehrwert zu erhalten und Bewusstsein für die Anliegen privater land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und deren Tätigkeit sowie Verantwortung zu schaffen. Die Mitgliedsbetriebe der Land&Forst Betriebe Österreich bewirtschaften zusammen ein Drittel des österreichischen Waldes und produzieren jede fünfte Tonne des österreichischen Getreides.