Gestärkte Verhandlungsmacht

Keine Akzeptanz mehr für unlautere Geschäftspraktiken

Oft sind land- und forstwirtschaftliche Familienbetriebe der Verhandlungsmacht von Handelskonzernen oder anderen starken Abnehmern ausgesetzt. Damit diese leider oft unausgewogenen Geschäftsbeziehungen zukünftig verhindert werden können, gelang es der damaligen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (Ende 2021) mit entsprechenden Änderungen im Wettbewerbs- und Nahversorgungsgesetz die Verhandlungsposition der Landwirte bzw. Lieferanten zu stärken.

Dazu wurde Ende 2021 im Nationalrat der notwendige Beschluss gefasst. Die Gesetzesnovelle tritt noch in diesem Jahr in Kraft.

Mit diesen Gesetzesänderungen gehören verspätete Zahlungen für verderbliche Waren, Auftragsstornierungen in letzter Minute, einseitige oder rückwirkende Vertragsänderungen, erzwungene Zahlungen des Lieferanten für die Verschwendung von Lebensmitteln oder Verweigerung schriftlicher Verträge der Vergangenheit an. Bei Verstößen drohen Strafen bis zu 500.000 Euro.

Betroffene Landwirte beziehungsweise Lieferanten können sich zukünftig an eine weisungsfreie und unabhängige Ombudsstelle wenden, die vom Landwirtschaftsministerium eingerichtet wird. Damit soll es jedem Akteur einfach möglich sein, Beschwerde einzureichen, ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen haben zu müssen wie zum Beispiel etwa Auslistungen der Produkte im Handel. Diese Erstanlaufstelle soll 2022 ihre Arbeit aufnehmen.

Ausgangsbasis für die beschlossene Änderung des Bundesgesetzes vom 29. Juni 1977 zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen war die 2019 vom Europäischen Parlament und Rat verabschiedete gesetzliche Definition zu unlautere Praktiken entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette.

Folgende unfaire Geschäftspraktiken fallen unter den neuen Rechtsrahmen:

  • Zahlungsverzug an den Lieferanten über 30 Tage bei verderblichen sowie über 60 Tage bei anderen Lebensmitteln
  • Kurzfristige Stornierung von Bestellungen verderblicher Lebensmittel
  • Einseitige Änderung der Lieferbedingungen hinsichtlich Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung, Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preise (auch im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen)
  • Verlangen von Zahlungen vom Lieferanten, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf der Lebensmittel des Lieferanten stehen beziehungsweise Zahlungen für Qualitätsminderung oder den Verlust, die nicht durch Fahrlässigkeit oder Verschulden des Lieferanten verursacht werden.
  • Verweigerung einen schriftlichen Vertrag zu schließen, wenn dies gewünscht ist.
  • Rechtswidriger Erwerb oder Nutzung von Geschäftsgeheimnissen des Lieferanten
  • Androhung oder Ergreifen von Vergeltungsmaßnahmen gegen den Lieferanten, wenn der Lieferant sein Recht durchsetzen möchte
  • Verlangen einer Entschädigung für die Kosten von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit dem Verkauf der Erzeugnisse des Lieferanten
  • Gewährung schlechterer Konditionen im Vergleich zu dessen Mitbewerbern bei gleichwertiger Leistung aus unsachlichen Gründen
  • Einschränkung anderer Vermarktungsformen aus unsachlichen Gründen als Bedingung für die Aufnahme oder Fortsetzung von Geschäftsbeziehungen

 

Wenn nicht explizit anders vereinbart, gelten auch diese Praktiken als unlauter:

  • Der Käufer schickt nicht verkaufte Lebensmittel an den Lieferanten zurück, ohne dafür zu bezahlen.
  • Vom Lieferanten wird eine Zahlung dafür verlangt, dass seine Erzeugnisse zum Verkauf angeboten, gelistet oder auf dem Markt gebracht werden.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser die Kosten für Aktionen und Preisnachlässe (1+1, -25% etc.) trägt.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Werbungmaßnahmen (Flugblätter, Anzeigen etc.) des Käufers zahlt.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Vermarktung durch den Käufer zahlt.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten eine Zahlung für das Personal für die Einrichtung der Räumlichkeiten, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden.

 

Ausweitung des Geltungsbereiches

  • Der Schutz von Lieferanten und Produzenten wird auf weitere Unternehmen ausgeweitet. Somit wird sichergestellt, dass noch mehr von ihnen vom Schutz gegen unlautere Geschäftspraktiken profitieren. Lieferanten, die einen Jahresumsatz von bis zu 1 Milliarde Euro erwirtschaften, sind somit auch geschützt und zwar gegenüber Käufern, die einen Jahresumsatz von über 5 Milliarden Euro aufweisen. Dieser Geltungsbereich gilt vorerst befristet bis Ende 2025 und wird dann evaluiert.