Wer braucht eigentlich noch Landwirte?

Replik auf ein Quergeschrieben von Thomas Weber erschienen am 23.4.2025 in ''Die Presse''

Wer braucht eigentlich noch Landwirte?

Diese wichtige Frage soll nicht unbehandelt bleiben. Die Antwort darauf ist klar – jede und jeder. Nahrungsmittel sind nun einmal von existentieller Bedeutung. Und es ist natürlich nicht egal, woher sie kommen.

Gerade der Ukraine Krieg hat den Europäern vor Augen geführt, dass es nicht gut ist, wenn ein Land sich in existentiellen Fragen (Öl und Gas) von anderen (Russland) abhängig macht. Dies gilt auch für Grundnahrungsmittel. Österreich kann sich heute mit Getreide, Eiern, Hühner- und  Schweinefleisch nur knapp selbst versorgen, bei Ölsaaten (Raps, Sonnenblume) schaffen wir nur 50% Selbstversorgung, so wie bei Obst, Gemüse und Honig. Einzig bei Milch (170%) und Rindfleisch (145%) sind wir deutlich überversorgt. Europa verfügt über die Einmaligkeit einer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Diese setzt für den gesamten Binnenmarkt mit seinen 10 Millionen Landwirten gültige Regeln auf, von Pflanzenschutz über Tierschutz bis hin zu Gewässer- und Bodenschutz; sie wird daher gerne auch als „Kitt“ der Union bezeichnet.

Im Gegenzug dafür erhalten die Landwirte Unterstützung aus dem Topf des EU-Haushaltes und durch die Mitgliedstaaten. Der EU-Haushalt wird von den Mitgliedern aber knapp gehalten. Weniger als 2% der Steuergelder fließen nach Brüssel. 98% verbrauchen die Mitgliedstaaten intern u.a. für Soziales, Pensionen, Gesundheit und Verwaltung. Die GAP hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren, aktuell gehen nur knapp 30% des EU-Haushaltes dorthin. Das bedeutet umgerechnet, dass sie nur ca 0,5% der Steuergelder benötigt. Kein schlechtes „Geschäft“ aber für die Konsumenten. Für wenig Steuergeld bekommen wir günstige Nahrungsmittel samt besten Standards! Auf Betriebsebene heruntergerechnet bedeutet dies ca €10 an Steuergeld pro Jahr für die Lebensmittelversorgung eines Bürgers. Diese geringe Staatsausgabe hat aber für die betroffenen Landwirte eine sehr hohe existenzielle Bedeutung. Im  Höchstkostenstandort Österreich liesse sich Nahrung sonst nicht mehr erzeugen.

Aktuell wird in Brüssel über den neuen Finanzrahmen verhandelt, das Ergebnis wird auch für die neue GAP von großer Bedeutung sein. Welche Ziele setzt man, wie sollen sie umgesetzt werden und mit welchen Mitteln? Wird es mehr Freiheit und Eigenverantwortung geben anstatt Ordnungspolitik? Ich hoffe, dass sich die Entscheidungsträger dabei massgeblich von Pionierbetrieben leiten lassen und ein realistisches Zukunftsbild zeichnen mit wettbewerbsfähigen und zeitgemäßen Betrieben, welche sich neben der Erzeugung von Grundnahrung dem Erhalt der Umwelt, der Artenvielfalt und dem Tierwohl aus Überzeugung widmen.

Die Wettbewerbsfähigkeit ist keine Frage der Größe, vielmehr des Standortes, des Betriebskonzeptes und schließlich auch des unternehmerischen Geschicks. Die Landwirtschaft ist nämlich eine ganz besondere Wirtschaftssparte, welche sich durch über 90% Familienbetriebe auszeichnet und wo Betrieb und Familie eng verbunden sind und wo wertvolle Eigenschaften wie Sparsamkeit, Dauerhaftigkeit und Denken in Generationen gelebt werden. Diese Einstellungen nicht nur sehr wertvoll für eine Gesellschaft, sondern machen die Betriebe auch sehr robust. Und hier liegt die große Chance für Europa. Gelingt es der Kommission, die Millionen Landwirte zu motivieren, Umweltleistungen freiwillig zu erbringen, dann wird Europa im Bereich Nachhaltigkeit einen großen Sprung nach vorne machen. Damit dies gelingt, muss den Betrieben Verantwortung übertragen werden nach dem Motto „ihr könnt das, ich unterstütze euch dabei“. Diese Verantwortungsübertragung kann große Kräfte freisetzen und den Betrieben starken gesellschaftlichen Auftrieb geben. Natürlich braucht es neben Zielen und Anreizen auch ein gut dotiertes Agrarbudget, auch von den Mitgliedstaaten. Und schließlich muss es gelingen, dass die Landwirte gemäß ihrer wertvollen Arbeit an der Wertschöpfungskette ausreichend mitpartizipieren. Das liegt derzeit wirklich im Argen. Dafür brauchen wir aber die Hilfe der Konsumenten, die das einfordern. Damit Thomas Weber bald wieder, mit der Überzeugung etwas Gutes zu tun, Bier und Wein aus Österreich genießen kann.