Interview mit den MEPs Schmiedtbauer und Waitz

zum Thema Biomasse

Interview mit den MEPs Schmiedtbauer und Waitz

Wir baten die beiden MEPs Simone Schmiedtbauer und Thomas Waitz für einen Artikel in unserem Verbandsmagazin "Naturverstand" zu einem Gespräch über die Biomasse Holz.

LFBÖ: Das EU-Parlament will gegen die Abholzung von Wäldern vorgehen und dafür die Förderung für Holz als Biomasse zur Erzeugung erneuerbarer Energie einschränken. Für die österreichische Energie- und Forstwirtschaft wäre das ein beträchtlicher und unverständlicher Einschnitt, zumal der Rohstoff aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung kommt und damit wesentlich zur Erreichung der Klimaziele beiträgt.

Was ist Ihre Meinung dazu?

Schmiedtbauer: Aktuell stehen unsere Energieversorgungssicherheit,unsere Energieunabhängigkeit und unser Weg hin zu einer nachhaltigeren Energieversorgung im Mittelpunkt der politischen Debatte. Alle Entscheidungsträger sind aktuell gefordert, mit Weitblick und Umsicht an einer Lösung für die aktuellen Problemebei der Energieversorgung und die steigenden Preise zu arbeiten. Diesen Weitblick habe ich bei der Abstimmung über den zukünftigen Ausbau von Biomasse leider vermisst, denn wir sind auf diese Form der nachhaltigen Energiegewinnung mehr denn je angewiesen. Holz aus unseren heimischen Wäldern ist nicht nur unverzichtbar für den grünen Wandel, sondern auch ein heimischer Rohstoff, der uns dabei hilft, unabhängiger von fossilen Brennstoffen aus den Händen von Autokraten zu werden. Forstliche Biomasse aus unseren heimischen Wäldern ist nachhaltig. Punkt. Dafür trete ich mit Vehemenz ein und hoffe, dass in den Verhandlungen zwischen dem Europaparlament und den Mitgliedsstaaten noch Verbesserungen erreicht werden. Bundesministerin Gewessler ist jetzt am Zug, um in den Verhandlungen das Beste für Österreich herauszuholen.

Waitz: Das EP fordert lediglich, dass der Anteil von Primärholz mit EU-Geldern geförderter Biomasse gedeckelt wird bei der Höhe des mittleren Verbrauchs 2017-2022. Das ist kein Einschnitt, sondern erlaubt die Nutzung der Wälder in der gewohnten Menge. Holz kann zur Erreichung der Klimaziele beitragen, aber es kommt auf die Art der Waldwirtschaft, die Ernte, die Verarbeitung und Nutzung an. Mit einer naturnahen Waldwirtschaft gibt es das großartige Potential Kohlenstoff zu binden. Wenn das Holz deutlich über der Zuwachsrate geerntet wird, wird aus der möglichen CO2 Senke schlagartig ein Emissionsherd. Wenn die EU nun die Öko-Förderungen von Biomasse deckeln möchte, dient das dazu Fehlinvestitionen zu vermeiden und Steuergeld nicht in Anlagen zu versenken, die dann in wenigen Jahren Konkurs gehen, weil der Rohstoff Holz für die bloße Erzeugung von Wärme nicht mehr leistbar und damit nicht mehr konkurrenzfähig ist.

LFBÖ: Derzeit ist geplant, vor allem den Einsatz von Primärholz – welches direkt aus Wäldern entnommen wird – zur Energiegewinnung einzuschränken. Das EU-Parlament zieht dafür als Argumentation unter anderem den weltweiten Rückgang der Wälder heran. In der EU besteht aber ein vollkommen gegenläufiger Trend und die Waldfläche nimmt seit Jahrzehnten zu.

Wie lassen sich die gewählten Ansätze wirklich erklären?

Schmiedtbauer: Bei der Abstimmung im Europaparlament hat Ideologie über den Hausverstand gesiegt. Die Entwaldung in anderen Teilen der Welt ist kein Argument dafür unserer heimischen Waldbewirt-schaftung, die ein Musterbeispiel für Nachhaltigkeit und Wirtschaften im Einklang zwischen Mensch und Natur ist, Steine in den Weg zu legen. Österreichs Wälder wachsen und durch notwendige Maßnahmen zur Anpassung unserer Wälder an den Klimawandel wird in Zukunft noch mehr forstliche Biomasse verfügbar sein, so auch in anderen EU-Ländern. Diese müssen wir entsprechend nützen können. Einschränkungen sind praxisfern und rückwärtsgerichtet. Leider wird den Stimmen von Umwelt-NGOs in Brüssel oft mehr Gehör geschenkt, als der Stimme unserer heimischen Land- und Forstwirte.

Waitz: Ein verengter Blick rein auf die Fläche sagt nichts über die Holzreserven und Gesundheit des Waldes oder die Qualität seiner Dienstleistungen aus: Die Holzqualität, Zuwachs, Schutz vor Lawinen und Erosion, Biodiversitäts- oder Kohlenstoffspeicherraten können unterschiedlich sein. Im europäischen Vergleich werden Österreichs Wälder relativ nachhaltig bewirtschaftet. In Punkto Monokulturen und Kahlschlägen sowie Klimanapassung der Waldgesellschaften sind noch einiges an Hausaufgaben zu machen. In anderen Teilen der EU sieht es schlechter aus: kahlgeschlagene Berge und Steilhänge, bodenschädigende Erntemethoden, Industrie-Holzstangen-Plantagen und großflächiger Holzdiebstahl sind nur einige Beispiele.


LFBÖ: Ende Oktober 2022 wiesen hunderte Wissenschaftler in einem Schreiben an die EU-Kommission darauf hin, dass Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern CO2-neutral ist und die energetische Nutzung einen wertvollen Beitrag für den Klimaschutz leistet.

Wie bewerten Sie diese Information?

Schmiedtbauer: Ich bin froh, dass die Tatsachen, die uns Praktikerinnen und Praktikern von Anfang an klar waren, auch auf so eindrucksvolle Weise von Seiten der Wissenschaft bestätigt wurden. Ich hoffe, dass die Verhandler der Erneuerbare-Energien-Richtlinie in Brüssel dieses Schreiben genau studieren, damit die Fehlentscheidung, die gegen meine Stimme im Europaparlament getroffen wurde, in den Verhandlungen zwischen dem Europaparlament und den Mitgliedsstaaten noch korrigiert werden kann.

Waitz: Was im 20. Jahrhundert als nachhaltig gegolten hat entspricht nicht mehr den Anforderungen der heutigen Klima- und Biodiversitätskrise. Naturnahe Waldwirtschaft ist das Gebot der Stunde! Obwohl die Holzverbrennung oft generell als nachhaltige Art der Energiegewinnung dargestellt wird, entspricht das nicht der Realität. Der Wirkungsgrad der Stromerzeugung ohne Abwärmenutzung ist sehr niedrig. Seit der Anerkennung von Biomasse als erneuerbare Energie ist die Holzentnahme in der EU sprunghaft angestiegen, was zu einer massiven Schädigung der Wälder geführt hat. Wenn Holz in Europa eben nicht aus naturnahen bewirtschafteten Wäldern stammt, ist es nicht CO2-neutral. Die beste Nutzung ist die qualitativ hochwertige und langfristige in Möbeln oder am Bau. Erst am Ende der Kette sollte die energetische Nutzung stehen.

LFBÖ: Holz wird als nachwachsender und erneuerbarer Rohstoff in erster Linie für die stoffliche Verwertung – also als Grundlage für die vielfältigen Holzprodukte – bereitgestellt. Damit ist dieser Wertstoff auch ein wesentliches Element einer für die Bekämpfung des Klimawandels von der EU forcierten Bioökonomie. Im Gegenzug werden aber in verschiedenen Materien vermehrt Initiativen gesetzt, eine nachhaltige Waldbewirtschaftung durch Außer-Nutzung-Stellung und eine Vielfalt von Einschränkungen zu verhindern.

Wie passen diese gegenläufigen Entwicklungen aus Ihrer Sicht zusammen?

Schmiedtbauer: Die Zielkonflikte der EU-Kommission sind für mich, als Frau von der Basis, nicht nachvollziehbar. Das passt leider überhaupt nicht zusammen und ich kämpfe tagtäglich in Brüssel für praxistauglichere Ansätze, die die heimische Forstwirtschaft stärken, statt zusätzliche Hürden für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zu schaffen. Die Bedürfnisse der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer müssen stärker in die EU-Politik miteingebunden werden und das Subsidiaritätsprinzip in der Forstwirtschaft muss stets gewahrt bleiben. Außerdem möchte ich nochmals betonen, dass eine nachhaltige Waldbewirtschaftung notwendig ist, um unsere Wälder klimafit zu halten. Unsere Forstwirtinnen und Forstwirte machen das seit Generationen mit großer Leidenschaft und Expertise.

Waitz: Holz wird weltweit massiv übernutzt, insbesondere wegen der energetische Holznutzung. Gegenwärtig wird etwa die Hälfte der europäischen Holzernte verbrannt. Der nutzbare Biomassezuwachs ist limitiert, ebenso das Ausbaupotenzial, vor allem für große Biomasseanlagen. Die Nachfrage und damit der Druck auf die Wälder wird in kommenden Jahren durch die Ersetzung fossiler Kohlenstoffketten in der Bioökonomie noch steigen. Zum Kampf gegen die Biodiversitätskrise braucht es besonderen Schutz der letzten verbleibenden alten Ur- und Primärwälder. Auch in Österreich brauchen wir geschützte Flächen, um gefährdeten Arten und einer gestressten Natur ausreichend Rückzugsräume zu geben.

LFBÖ: Energieholz ist einer der bedeutendste erneuerbare Energieträger in Österreich. Die Verbrennung von Holz als Brennholz, Pellets oder Hackschnitzel läuft im Gegensatz zu der von Öl, Gas und Kohle in einem CO2- neutralen Kreislauf. Das bei der Verbrennung freigesetzte Kohlendioxid wird vom nachwachsenden Wald wieder aufgenommen.

Gehen Sie mit dieser Aussage konform?

Schmiedtbauer: Dem stimme ich, ebenso wie die hunderten Wissenschaftler, die den oben bereits erwähnten Brief verfasst haben, voll und ganz zu.

Waitz: Nochmals: die beste Nutzung für Holz ist immer die qualitativ hochwertigste, die energetische Nutzung steht dabei an letzter Stelle. Und nein, erneuerbare Energieformen sind vor allem auf Hinsicht der Ausbaufähigkeit, Solar und Windenergie. Biomasse ist nur dann nachhaltig, wenn sie aus naturnaher Forstwirtschaft aus unmittelbarer und näherer Entfernung und/oder aus Reststoffen stammt. Auch in Österreich ist dies nicht immer der Fall. Für kleinere, abgelegene Gemeinden am Land können kleine Biomassekraftwerke eine gute und nachhaltige Lösung sein. Anlagen, die maximal 7.5 MW produzieren, sind von den neuen Regeln ausgenommen. Damit kann auch die kleinteilige und regionale Produktion von Biomasse weiterlaufen wie bisher.

LFBÖ: In Österreich setzt man auf eine aktive und nachhaltige Waldbewirtschaftung. Damit wird nachweislich durch optimierte Zuwächse mehr CO2 gebunden als in einem nicht bewirtschafteten Wald. Zusätzlich kann der Wald auch nur so seine vielseitigen anderen Waldleistungen für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft zur Verfügung stellen.

1. Wie bewerten Sie das österreichische Modell?
2. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie?

Schmiedtbauer: Das österreichische Modell wurde erfolgreich über Generationen gelebt und hat große Vorbildwirkung – in Europa und der Welt. Wir brauchen multifunktionale, nachhaltig bewirtschaftete Wälder, wie wir sie in Österreich haben, wenn wir unsere Klima- und Umweltschutzziele erreichen wollen. Ohne die Nutzung der nachwachsenden Ressource Holz wird es nicht gehen. Es geht um Klima und Umwelt, die Bürgerinnen und Bürger, die den Wald als Erholungsraum schätzen, um die rund 300.000 Menschen in Österreich sowie die mehr als zwei Millionen Menschen in der EU, die ihr Einkommenaus dem Wald erwirtschaften.

Waitz: Österreich steht relativ gut da im europäischen Vergleich. Alles hängt aber von der Definition ab. Wenn mit „aktiv“ einen „sauberen, aufgeräumten“ Wald mit viel menschlicher und maschineller Intervention gemeint wird, bindet dieser weder ausreichend CO2, noch erbringt er eine große Vielfalt an anderen Waldleistungen. Wenn eine naturnahe Waldwirtschaft gemeint wird, auch „Plenterwirtschaft“ genannt, kann biodiversitätsfreundlich, Wasserhaushalts-freundlich in klimaresistenten Mischwäldern durch Dauerbewaldung nachhaltig Holz und Biomasse produziert werden. In vielen Fällen kann der erntbare Zuwachs und damit der Ertrag sogar höher als in intensiveren Bewirtschaftungsmodellen sein. Angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise steht auch die österreichische Energie- und Forstwirtschaft in der Verantwortung, ihre Wirtschaftsstrategien zu überdenken und dies als sanftes Chance zur Umorientierung zu sehen.

LFBÖ: Danke für das Gespräch!

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Simone Schmiedtbauer, geboren am 8. Juni 1974 in Graz, ist Mitglied der Österreichischen Volkspartei ÖVP und Landwirtin. Von 2014 bis 2019 war sie zudem Bürgermeisterin der steirischen Gemeinde Hitzendorf. Schmiedtbauer trat als Spitzenkandidatin der Steirischen Volkspartei und des Österreichischen Bauernbundes bei der Europawahl 2019 an, gewann ein Mandat und ist seitdem Abgeordnete zum Europäischen Parlament.

Thomas Waitz, geboren am 16. Mai 1973 in Wien, ist Biobauer, Forstwirt und Politiker der Grünen. Er war von November 2017 bis zur Europawahl in Österreich 2019 Mitglied im Europäischen Parlament. 2019 wurde er zum Kovorsitzenden der Europäischen Grünen gewählt und 2022 in dieser Funktion wiedergewählt.