GAP 2023+ und die Neuerungen für Landwirte

Aktueller Stand Juli 2022

GAP 2023+ und die Neuerungen für Landwirte

Kürzungen in der ersten Säule können nur bedingt durch Interventionen aus der zweiten Säule kompensiert werden. Ratsam ist eine verstärkte Ausrichtung auf die Marktbedürfnisse, anstatt sich allein auf die Subventionspolitik zu verlassen.

Der aktuelle Stand
Nachhaltiger, fairer, umweltfreundlicher – der Green Deal und die Farm-to-Fork-Strategie prägen entscheidend die Ausgestaltung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) des 1.302-Seiten dicken österreichischen Strategieplans (STP), der die Marschrichtung der heimischen Landwirtschaft für die nächsten Jahre maßgeblich vorzeichnet. Trotz herausfordernder Vorgaben der Kommission, divergierenden Interessen innerhalb der Bundesregierung und einem intensiven Stakeholderprozess konnte am 30. Dezember 2021 fristgerecht der nationale STP eingereicht werden. Nachdem die Europäische Kommission drei Monate Zeit hatte, den nationalen Strategieplan zu evaluieren, wurde diese Bewertung im Observation Letter Ende März nach Österreich zurückgesendet. Seither ist das Ministerium damit beschäftigt, die Anmerkungen zu analysieren und gegebenfalls den Strategieplan anzupassen.

Positiv angemerkt wurden in der Evaluierung unter anderem

  • die Kohärenz der grünen Architektur,
  • die Umsetzung der 4 Prozent reinen Brache in GLÖZ 8,
  • den zusätzlichen nationalen GLÖZ-Standard,
  • die Umsetzung der sozialen Konditionalität ab 2023,
  • das höhere Budget für Agrarumweltmaßnahmen,
  • die vielfältigen Tierwohlmaßnahmen,
  • der Umfang und die Dotierung von Leader und
  • das 30 prozentige Ziel für die biologische Landwirtschaft.

Die EU-Vorgabe von 25 Prozent Bio hatte Österreich bereits im Vorfeld erfüllt.

Österreich – oft als Musterschüler der europäischen Landwirtschaft bezeichnet – hat in den Augen der Kommission in einigen Punkten aber Nachholbedarf. Nicht ausreichend berücksichtigt wurden bisher u. a.

  • der Beitrag zur Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Energien,
  • die Reduktion der landwirtschaftlichen Treibhausgase- und Ammoniak-Emissionen,
  • die Kohlenstoffspeicherung,
  • die Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes,
  • die Digitalisierung in der Landwirtschaft und
  • die Erhöhung von Ökosystemdienstleistungen in der Forstwirtschaft.

Nachbesserungsbedarf wird auch u.a. bei etlichen GLÖZ-Standards, der Basiszahlung-Alm, bei der Umverteilungszahlung und verschiedenen ÖPUL-Maßnahmen festgestellt. Parallel zu den Überarbeitungen fand ein weiterer wichtiger Schritt im Prozess zur Umsetzung des Strategieplans auf nationaler Ebene statt. Die rechtlichen Grundlagen der GAP (Marktordnungsgesetz, Landwirtschaftsgesetz und AMA-Gesetz) haben den Bundesrat im Juni passiert.

Stabilität und Planungssicherheit
In Hinblick auf die Planungssicherheit drängt die Zeit. Die Bauernschaft braucht so schnell wie möglich Klarheit, um wichtige Entscheidungen über Bewirtschaftungsmaßnahmen treffen zu können. Noch im Juli sollte die überarbeitete Version des nationalen GAP-Strategieplans nach Brüssel übermittelt werden und die Verhandlungen zwischen Kommission und Ministerium in die nächste Runde gehen. Im Anschluss daran – zwischen September und Dezember (!) 2022 – genehmigt die Kommission die finale Endversion des Plans. Damit soll der nationale GAP-Strategieplan mit 1.1.2023 in Kraft treten. Hinsichtlich der Planungssicherheit ist das ein kurzer Zeitraum bis zum Beginn der neuen Periode. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und stark gestiegener Betriebsmittel ist es notwendig, alsbald Nägel mit Köpfen zu machen. Sichere Rahmenbedingungen sind umso wichtiger, je volatiler die Marktbedingungen sind.

Mehr Leistung, weniger Geld
Die neue Architektur der GAP bringt einige Änderungen mit sich. Ratsam ist es, sich mit dem neuen Programm ausführlich zu beschäftigen und sich auch verstärkt an den Bedürfnissen des Markts zu orientieren. Sich alleine auf die Agrarpolitik zu verlassen bedeutet mitunter: Mehr Leistung für weniger Geld.

Alle bisherigen Maßnahmen werden umbenannt in Interventionen. Davon sind rund 100 im STP zu finden. Mit einem Mittelvolumen von ca. 1.582 Mio. Euro pro Jahr gibt es aber ein Plus von ca. 73 Mio. ab 2023. Ein höheres Budget bedeutet aber keineswegs mehr Geld für die einzelnen Betriebe. Je nach Lage und Betriebsform kommt es mitunter zu großen Änderungen. Wichtigste Voraussetzung, um Mittel aus der ersten und zweiten Säule zu beziehen, ist die „Erweiterte Konditionalität“. Diese Maßnahmen sind bereits aus der vorherigen GAP-Periode (bisher „Cross Compliance“ und „Greening“) bekannt. Sie sind unterteilt in GLÖZ (guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand) und GAB (Grundanforderungen an die Betriebsführung).

Erste Säule Direktzahlung
Die meisten Veränderungen gibt es in der ersten Säule. Die Einkommenswirksamkeit der Direktzahlungen nimmt insgesamt weiter ab. Weniger Basiszahlungen aus der ersten Säule stehen mehr Geldern aus der zweiten Säule gegenüber. Bei der Basiszahlung wird man nur mehr mit 208 Euro pro ha rechnen können, da es zu einer Umschichtung in die neue Ökoregelung und in die Umverteilungszahlung kommt. Die Vorgabe, Gelder aus der ersten Säule für den Umweltschutz einzusetzen (knapp ein Viertel der Direktzahlungen), wurde in der Ökoregelung umgesetzt. 100 Mio. Euro/Jahr sind für vier Interventionen aus dem ÖPUL vorgesehen. Die Umverteilungszahlung beträgt 47 Euro für die ersten 20 ha und 23 Euro pro ha für weitere 20 ha.

Zweite Säule Ländliche Entwicklung
Bei der Neuberechnung der Prämien (auf Basis der 2018-2020 Preise) für die Leistungsabgeltungen der zweiten Säule werden nur der Kostenersatz (Ertragsminderung, Aufwandsentschädigung), aber keine Anreize eingerechnet. Folglich müssten Betriebe mehr leisten, um mehr Geld oder zumindest denselben Betrag wie in der Vorperiode zu erhalten.

Wie Berechnungen zeigen, werden manche mehr leisten und trotzdem weniger Geld bekommen. Vor allem Ackerbau-Betriebe im Osten des Landes sind davon betroffen. Die im Grundwasserschutz-Acker (GWA) bereits jetzt Teilnehmenden müssen aufgrund der erhöhten Baseline durch die Nitrataktionsprogrammverordnung (NAPV) und der Gebietswasserschutz Kulisse neu mit deutlichen Verlusten rechnen. Der Ausgleich der Verluste aus der ersten Säule durch Interventionen der zweiten Säule kann v.a. im Grünland, bei Bio-Milchviehbetrieben und bei Veredelungsbetrieben gelingen. Mit Verlusten für Marktfruchtbetriebe ist zu rechnen.

Rechenbeispiel für einen konventionellen 100ha  Ackerbaubetrieb:

  • Basiszahlung (BZ) geht von 288 Euro/ha auf 208 Euro/ha zurück
  • Umverteilungszahlung (UVZ) ergibt 1.400 Euro (47 Euro für erste 20 ha, 23 Euro/ha für weitere 20 ha)
  • UBB-Prämie steigt von 45 auf 70 Euro/ha sowie zusätz-liche Möglichkeiten (z.B. förderbare Kulturen, hier 5 ha Raps, 5 ha Sonnenblume, 5 ha zusätzliche DIV, 5 ha hohe BKZ der DIV +2.900 Euro)
  • Prämie Zwischenfrucht (ZWFR) bleibt ca. gleich, wird jedoch aus Öko-Regelungen finanziert
  • Erosionsschutz Acker geht bei Mulchsaat zurück (50 Euro/ha statt bisher 60 Euro/ha), jedoch zusätzliche Möglichkeiten (Querdämme, Untersaaten)
  • (falls im Gebiet): GWA-Prämie reduziert sich von 100 Euro/ha auf 50 Euro/ha aufgrund erhöhter Baseline (NAPV) (Quelle: BML)

Wachsen oder Weichen
Ob die Zeit des Wachsens oder Weichens tatsächlich vorbei ist, bleibt offen. Der Strukturwandel wird die Landwirtschaft weiter prägen, nur etwas verlangsamt. Die agrarpolitische Ausgestaltung der GAP wird diesen Wandel durch die Benachteiligung der Ackerbaubetriebe weiter fördern. Den gerade die Umverteilung der Direktzahlungen zeigt ein deutliches Ost-West Gefälle. Gerade zu Beginn einer neuen Förderperiode sind Überlegungen hinsichtlich einer LandwirtschaftBetriebsaufgabe keine Seltenheit. Die im Jahr 2020 von der EU verpflichtend durchzuführende Vollerhebung der Agrarstruktur zeigt, dass Ackerbauregionen den größten Rückgang an Betrieben verzeichnen. Die steigende Inflation lässt die Wirksamkeit der Prämien weiter sinken. Wie hoch die Akzeptanz des neuen Programms vor diesem Hintergrund sein wird, bleibt abzuwarten.