Interview mit BM Norbert Totschnig

Pressegespräch, Juli 2022

Interview mit BM Norbert Totschnig

aktuell:Sehr geehrter Herr Bundesminister, die Land&Forst Betriebe Österreich wünschen Ihnen auch auf diesem Weg noch einmal alles Gute für Ihre neue Aufgabe! Zum Zeitpunkt dieses Gesprächs (A.d.R. Anfang Juli 2022) sind Sie erst seit wenigen Wochen als Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (kurz: BML) im Amt. Wo sehen Sie in Ihrem Zuständigkeitsbereich die aktuell größten Herausforderungen?

Bei der heimischen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft und unseren Regionen handelt es sich um unser aller Lebensgrundlagen! Ich setze mich mit meiner ganzen Erfahrung und Kraft dafür ein, dass unsere Bäuerinnen und Bauern auch in Zukunft gut arbeiten und uns mit Lebensmitteln versorgen können, dass unsere Wälder weiter nachhaltig bewirtschaftet werden und uns allen der Erholung dienen, dass wir auch weiterhin saubere Seen und eine hohe Lebensqualität im ländlichen Raum haben. Ob es sich um die Teuerung oder den Klimawandel handelt – wir können die anstehenden Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen.


aktuell: Welche ersten Schritte werden Sie in Ihrer Funktion setzen und wie werden Sie die längerfristigen Schwerpunkte Ihrer Arbeit anlegen?

Die Lebensmittelversorgungssicherheit hat für mich oberste Priorität. Das geht nur mit unseren Bäuerinnen und Bauern. Denn sie sind es, die täglich Essen auf unsere Teller bringen – auch in Krisenzeiten. Doch die gestiegenen Betriebsmittelkosten bringen sie zunehmend unter Druck. Darum habe ich ein 110 Mio. Euro Versorgungssicherungspaket geschnürt. Wir unterstützen unsere bäuerlichen Familienbetriebe, damit sie weiter produzieren und uns mit regionalen Lebensmitteln versorgen können. Die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik ist ein weiterer Schwerpunkt. In meiner ersten Amtswoche hat der Nationalrat die gesetzliche Grundlage beschlossen. Österreich gehört damit zu den ersten Ländern, die die GAP im Parlament behandelt haben. Wir machen Tempo bei der nationalen Umsetzung, so schaffen wir Planungssicherheit zur Versorgungssicherheit.


aktuell: Österreich hat bei den Verhandlungen zur Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) ein durchaus ordentliches Ergebnis heimbringen können. Mit den stark steigenden Produktionskosten und der bereits spürbaren Inflation werden die nicht indexgesicherten Agrargelder aber immer weniger wert, so dass sich teilweise nur mehr schwer positive Deckungsbeiträge erzielen lassen. Gleichzeitig wird der Ruf nach Versorgungssicherheit immer größer. Wie soll sich das ausgehen?

Nach dem ersten Vorschlag der EU-Kommission hätten unsere österreichischen Bäuerinnen und Bauern ein Minus von 770 Millionen Euro im Agrarbudget verkraften müssen. Durch erfolgreiche Verhandlungen ist es uns gelungen, aus einem Minus ein Plus zu machen: Mit 35 Mio. Euro zusätzlich stehen künftig sogar mehr Mittel in der gesamten Periode zur Verfügung und damit 1,8 Mrd. Euro pro Jahr für die Stabilität der heimischen Land- und Forstwirtschaft wie auch für die ländliche Entwicklung. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist ein Zukunftsprogramm für unsere Bäuerinnen und Bauern. Die aktuelle Teuerung ist natürlich eine große Herausforderung. Um den Menschen das Geld zurückzugeben, das ihnen durch die Inflation fehlt, haben wir als Bundesregierung ein 28 Milliarden Euro Entlastungspaket bis 2026 beschlossen. Außerdem beginnen jetzt die Maßnahmen der Ökosozialen Steuerreform zu wirken. Wir setzen alle Hebel in Bewegung, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.


aktuell: Bundesministerin Gewessler möchte in der derzeit in Verhandlung befindlichen Österreichischen Biodiversitätsstrategie ungefiltert die auf EU-Ebene angesetzten Zielsetzungen von 50-Prozent Reduktion für Pflanzenschutz- und Düngemittel umsetzen. Wie stehen Sie zu solchen Ansätzen?

Die österreichische Landwirtschaft hat sich der Strategie des integrierten Pflanzenschutzes, und damit einer nachhaltigen, umweltschonenden und optimierten Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verschrieben. In Österreich gibt es bereits zahlreiche Maßnahmen zur Reduktion von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, wie zum Beispiel entsprechende ÖPUL-Maßnahmen, laufende Forschungsprojekte, die Entwicklung von Alternativprodukten sowie den Ausbau und die Weiterentwicklung des Warndienstes. Die neue Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln werden wir genau prüfen. Grundsätzlich unterstützt Österreich die nachhaltige Ausrichtung des Green Deals. Insbesondere in Hinblick auf die Pflanzenschutzmittelreduktionsziele ist es essenziell, dass bereits erbrachte Vorleistungen wie etwa der hohe Bioflächen Anteil berücksichtigt werden. Die Strategien und Maßnahmen zur Reduktion des Pflanzenschutzeinsatzes sollen auf einer wissenschaftlichen Basis beruhen und Rücksicht auf nationale Gegebenheiten und bereits erbrachte Vorleistungen nehmen.


aktuell: Nachhaltige Forstwirtschaft und Holzverwendung sind ein wesentlicher Teil im Kampf gegen den Klimawandel. Gleichzeitig sind heimische Waldbesitzer Leidtragende des Klimawandels – Stichwort Trockenheit, Windwürfe, Schneebrüche, neue Baumarten etc. Die Ansprüche von Politik und Gesellschaft werden gleichzeitig immer größer. Welche Hoffnung können Sie heimischen Waldbesitzern derzeit geben?

Der Klimawandel stellt den Wald und Waldbesitzer vor große Herausforderungen. Gleichzeitig ist der Wald Teil der Lösung! Darum haben wir den Österreichischen Waldfonds ins Leben gerufen. Mit 350 Mio. Euro ist er das größte Unterstützungspaket für unsere Wälder, das es jemals gab. Er zielt auf die Entwicklung klimafitter Wälder, die Förderung der Biodiversität im Wald und auf eine verstärkte Verwendung des nachhaltigen Rohstoffes Holz als aktiven Beitrag zum Klimaschutz ab. Dieses Zukunftspaket für unsere Wälder ist nicht nur für unsere Waldbewirtschafterinnen und Waldbewirtschafter wichtig, sondern für die gesamte Wertschöpfungskette, das Klima und damit für uns alle.


aktuell: Nachhaltiges Kohlenstoffmanagement ist eine der zentralen Aufgaben zur Bekämpfung des Klimawandels. In der Land- und Forstwirtschaft sind es dabei die Landbewirtschafter, die mit ihrer täglichen Arbeit dieses aktive Management leisten. Werden Sie sich als Minister dafür einsetzen, dass diese Menschen für Ihre zusätzlichen notwendigen Leistungen auch eine entsprechende Abgeltung erhalten (Stichwort Carbon Farming)?

Die nachhaltige Land- und Waldbewirtschaftung ist wesentlich für die Bekämpfung des Klimawandels, denn nur aktiv bewirtschaftete Flächen können ihre Klimaschutzwirkung optimal entfalten. Unter dem Stichwort „Carbon Farming“ wird derzeit vieles diskutiert, von Humusanreicherung im Boden bis hin zur Kohlenstoffspeicherung in Wäldern. Beim Kohlenstoffmanagement sollte ein gesamthafter Ansatz herangezogen werden. Der Hauptfokus sollte jedenfalls auf dem Ausstieg aus den fossilen Rohstoffe gelegt werden, denn vorrangig ist, dass das fossile CO2 erst gar nicht in die Atmosphäre gelangt. Ein Teil der Leistungen der Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter werden bereits jetzt im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik honoriert. Durch die große Akzeptanz der freiwilligen Maßnahmen im Rahmen des österreichischen Agrarumweltprogrammes (ÖPUL) konnten auf den Ackerflächen bereits große Erfolge bei der Kohlenstoffspeicherung erzielt werden. Klar ist: Je schneller wir den Umstieg auf Erneuerbare Energien schaffen, umso besser.

aktuell: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Zur Person Norbert Totschnig:
Norbert Totschnig wurde am 6. Juni 1974 in Lienz geboren und wuchs als Bauern-Sohn in Osttirol auf. Nach Stationen im Parlament, in Brüssel wie auch im Wirtschafts- und Finanzministerium war Totschnig seit Mitte 2017 Direktor des Österreichischen Bauernbundes. Am 18. Mai 2022 wurde er als Bundesminister angelobt.