Forschungsprojekt FichtePLUS

Anpassung der Fichte an den Klimawandel? Wie die Waldgenetik helfen kann!

Anpassung der Fichte an den Klimawandel? Wie die Waldgenetik helfen kann!

Forschungsprojekt FichtePLUS

In den letzten Jahren sind im Norden Österreichs beispiellose Schadholzmengen in Fichtenwäldern angefallen. Die Wissenschaft hat zwar schon seit längerem vor der hohen Anfälligkeit der Fichte bei Hitze und Trockenheit gewarnt, dennoch ist überraschend, wie großflächig und plötzlich sich die Schadenssituation entwickelt hat. Aus den Klimaszenarien kann man gut ableiten, dass Extremjahre mit Trockenheit zunehmen und Borkenkäferprobleme eher die Regel als die Ausnahme darstellen werden.

In Zukunft werden auch jene Regionen, in denen die Fichte als natürlich eingestuft wird, stärker unter Klimastress geraten. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts werden etwa 40 Prozent des aktuellen Fichtenvorkommens in Österreich stark betroffen sein. Aus manchen Regionen wird die Fichte vollständig verschwinden, in manchen Bereichen wird sie nur mehr inselartig vorkommen können. Die derzeitige Krise sollte als Wendepunkt für die Forstwirtschaft gesehen werden, die uns vor Herausforderungen stellt, aber ebenfalls Chancen bietet. Jedenfalls besteht bereits heute in den bisher noch nicht betroffenen Fichtengebieten ein Nachdenken, welche Herkünfte verwendet werden sollten oder ob gar züchterisch verbessertes Vermehrungsgut eine Lösung sein könnte. Großflächigen Kalamitäten könnte so entgegengewirkt werden und die Ökosystemleistungen unserer Wälder von morgen sind so besser zu sichern. Anpassungsmaßnahmen in alle möglichen Richtungen werden dafür nötig sein.


Neben dringend notwendigen waldbaulichen Umstellungen kann mithilfe von gezielter Züchtung und Wahl des Pflanzmaterials auch innerhalb der Baumart eine höhere Trockenheitstoleranz erreicht werden. Das bedeutet nicht, dass wir aus der Fichte den Wunderbaum züchten können. Durch gezielte Selektion kann jedoch mit Unterstützung von modernen molekulargenetischen Analyseverfahren die Trockenheitstoleranz erhöht werden. Dadurch kann das Risiko bei der Fichtenbewirtschaftung reduziert und für weniger stark gefährdete Regionen geeignetes Pflanzmaterial zur Verfügung gestellt werden.

Einzelkämpfer als Lichtblick

Mitarbeiter des Instituts für Waldgenetik haben bei Besichtigung der Schäden im Waldviertel beobachtet, dass inmitten von hunderten abgestorbenen Fichten auch einzelne Bäume überleben und bisher vital weiterwachsen. Dies ist sicher auch dem Forstpersonal vor Ort aufgefallen. Oft ist an der Rinde dieser Fichten starker Harzfluss zu sehen – der Borkenkäfer konnte zumindest bisher abgewehrt werden. Warum kann man solche vitalen Individuen inmitten großflächig abgestorbener Fichtenbestände beobachten? Wenn die unmittelbaren Nachbarbäume bereits abgestorben oder stark geschädigt sind, muss auch davon ausgegangen werden, dass diese Bäume keine bessere Wasserversorgung hatten oder andere wachstumsfördernde äußerliche Faktoren mitgewirkt haben. Die Ursachen für die Vitalität dieser einzelnen Bäume ist daher wahrscheinlich im besonderen Erbgut zu suchen. Sie sind aus waldgenetischer Sicht jedenfalls etwas ganz Besonderes. Die verheerende Schadenssituation, in der aus tausenden und abertausenden Fichten nur wenige Individuen zumindest bisher überlebt haben, stellt biologisch eine sehr intensive Auslese dar.

Auch wenn für diese stark betroffenen Gebiete der  Fichtenanbau nun zur Vergangenheit gehört, so können diese vitalen Fichten doch einen wesentlichen Grundstein dafür legen, um den Fichtenanbau dort, wo heute noch keine Schäden aufgetreten sind, zu sichern. In Skandinavien – zugegebenermaßen mit ganz anderen forstwirtschaftlichen Rahmenbedingungen als in Österreich – wird eine zielgerichtete Auslese bei der Baumart Fichte schon seit mehreren Dezennien durchgeführt. Steigerungen der Zuwachsleistung werden auf 20 bis 25 Prozent geschätzt und demonstrieren eindrucksvoll, dass eine zielorientierte Nutzung der natürlichen genetischen Diversität zum Wohle der Gesellschaft möglich ist.

Die Vision des Projektes FichtePLUS

Es ist Ziel, die Fichte bestmöglich in den natürlich ablaufenden Anpassungsprozessen zu unterstützen. Die Steigerung der Wuchskraft und Vitalität bei Trockenheit und Hitzeperioden steht im Vordergrund. Es wird an dieser Stelle nochmals betont, dass damit nicht der Fichtenanbau in den heutigen Schadensgebieten erhalten werden soll. Ziel ist es vielmehr, für heutige Nichtschadensgebiete genetische Ressourcen verfügbar zu machen, um dort in Zukunft besser gewappnet zu sein. Daher ergeht hier der Hilferuf an die betreffenden Betriebe, überlebende Fichten zu melden. Das BFW hat dann die Möglichkeit, diese wertvollen  Ressourcen zu sichern und für andere Forstbetriebe verfügbar zu machen.

 

Auslesekriterien von Plusbäumen:

  • Idealerweise ohne sichtbare äußere Schäden (vital),
  • vorherrschend bis mitherrschend,
  • ringförmig umgeben von stark geschädigten bzw. bereits abgestorbenen Fichten.

Der Erfolg des Projektes ist in höchstem Maße davon abhängig, dass die Auswahlkriterien (siehe Box unterhalb) vor Ort erfüllt sind. Die bisher identifizierten Fichten werden auf vegetativer Weise vermehrt, einerseits durch Pfropfung wie im Obstbau und andererseits durch Stecklingsvermehrung. Im nächsten Schritt soll das besondere Pflanzmaterial hinsichtlich der Trockenresistenz im Feldexperiment und in ausgewählten Forstbetrieben in einer Pilotphase getestet und auch molekulargenetisch untersucht werden. Langfristig wird das Erbgut der besten Fichten in einer Samenplantage gesichert und der forstlichen Praxis zur Verfügung gestellt werden. Bis dies realisiert werden kann, wird über die Stecklingsvermehrung das wertvolle Erbgut auch früher nutzbar gemacht werden.

 

Das Projektteam hat seit Herbst 2018 ca. 120 Fichten identifiziert und durch Veredelung im BFW-Versuchsgarten in Tulln gesichert. Wünschenswert ist aber eine Anzahl von 300 Individuen und mehr.

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Wie können Sie als Forstbetrieb anderen Forstbetrieben helfen?

Bitte melden Sie uns Fichten in Schadensgebieten, welche nach Ihrer fachlichen Meinung die im Artikel genannten Auswahlkriterien erfüllen können. Wir melden uns so rasch wie möglich bei Ihnen. An dieser Stelle dürfen wir uns bei allen Forstbetrieben, welche unser Projekt schon unterstützt haben, sehr herzlich bedanken! www.fichteplus.at