Podiumsdiskussion der Land&Forst Betriebe Steiermark: Ist die Waldbewirtschaftung mit Zielsetzung auf Holzproduktion noch zukunftsfähig?

Multifunktionale Leistungen des Waldes – Wer finanziert die anderen vier Fünftel?

Das Ökosystem Wald ist Schutz-, Erholungs-, Wohlfahrts-, Lebens-, Wirtschafts- und Arbeitsraum zugleich. Alle diese Wirkungen sind durch den Waldbesitzer in Einklang zu bringen. Vor dem Hintergrund steigender Arbeitskosten, behördlicher Auflagen und permanent real sinkender Rundholzerlöse sind Waldeigentümer – und hier Bäuerliche- und Forstbetriebe gleichermaßen – angehalten, sich über ihre Existenz und damit den Fortbestand von flächendeckend bewirtschafteten Wäldern Gedanken zu machen.

 

Am 20. Juni 2018 fand zu diesem Thema eine Podiumsdiskussion der Land&Forst Betriebe Steiermark statt. Im ehrwürdigen Rahmen des Augustiner Chorherrenstift Vorau diskutierten Carl Prinz von Croÿ (Obmann der Land&Forst Betriebe Steiermark), Propst Mag. Gerhard Rechberger (Augustiner Chorherrenstift Vorau), LAbg. Bgm. Dir. Dr. Martin Ozimic (Geschäftsführer des Gemeindebundes Steiermark), Oberforstrat DI Herwig Schüssler (Landesforstdirektion Steiermark) und Dipl.-Ing. Gerald Plattner, (Österreichische Bundesforste AG) unter der Leitung von Dipl.-Ing. Gerhard Mannsberger (Vizerektor der BOKU Wien).

 

„Die derzeitige Holzmarktsituation, insbesondere in Verbindung mit einem gravierenden Anstieg an Schadhölzern, der zunehmende Druck der Gesellschaft auf die Waldeigentümer und –bewirtschafter – all diese Leistungen vermehrt und umfassend sicherzustellen ist eine Herausforderung für die Waldbesitzer. Auch das Bekenntnis der österreichischen Waldpolitik zu einem fairen Interessensausgleich der vielfältigen Ansprüche an den Wald – festgeschrieben in der im Vorjahr von 90 Institutionen einstimmig beschlossenen Österreichischen Waldstrategie 2020+ – zeigt einen massiven Diskussions- und letztendlich Handlungsbedarf auf“, eröffnete DI Gerhard Mannsberger die Diskussion.

 

Den Blick über den Tellerrand wagen

Waldboden ist nicht nur die Grundlage für die Holzproduktion, sondern auch jene für viele Leistungen, die von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Es gilt heute für den Waldeigentümer über die gesetzlichen Normen hinaus Mehrwerte zu schaffen, die von den Waldnutzern abgegolten werden müssten. Die große Herausforderung für den Waldbesitzer wird sein, im Rahmen der bekannten Waldfunktionen stets nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit den Blick über den Tellerrand zu richten, um Trends zu erkennen bzw. neue zu schaffen.

 

Aktuell gibt es für die vielfältigen Leistungen, die der Waldbesitzer für die Gesellschaft erbringt nur einen Markt für die Produktion von erneuerbaren Rohstoffen. Damit wird aber nur ein kleiner Teil der dafür notwendigen Aufwendungen abgegolten.

 

Carl Prinz von Croÿ, Obmann der Land&Forst Betriebe Steiermark, wagte in seinem Statement den Blick über den Tellerrand und meinte: „Auch die anderen vier Fünftel werden uns nicht in den Schoß fallen. Wir müssen sie uns erarbeiten! Diversifizierung ist das Stichwort. Dafür braucht es einen ganzheitlichen Blick auf Waldboden und Forstinfrastruktur und den Mut, etwas Neues auszuprobieren, zum Beispiel betriebsübergreifende Konzepte und Kooperationen andenken. Die Forcierung der erneuerbaren Energien darf als wirtschaftliches Standbein nicht außer Acht gelassen werden. Im Bereich der Freizeitwirtschaft wird es an uns liegen, die Themenführerschaft zu übernehmen. Und zu guter Letzt ist auch die Waldpädagogik eine Möglichkeit, zusätzliches Einkommen zu schaffen. Ziel der Diversifizierung unserer Betriebe muss es sein, für die erbrachten Leistungen auch neue Märkte zu schaffen und somit unabhängiger in unserem Wirtschaften zu sein.“

 

Propst Mag. Gerhard Rechberger ging auf die Schöpfungsverantwortung ein und wies auf die Lebensraumfunktion des Waldes für Menschen, Tiere und Pflanzen hin. Er betonte: „Viele erleben den Wald als einen besonderen Ort des Friedens, heilsam für Leib und Seele. Darum darf es nicht wundern, dass immer mehr den Wald auch als Ort des Friedens für ihre Verstorbenen nutzen.“ Er erläuterte weiter: „Die Kirche – und somit auch die Stifte – als Waldeigentümer sind besonders herausgefordert, verantwortungsvoll mit dem Wald als Lebensraum umzugehen. Aber auch sie stehen in einem Spannungsfeld, weil der Wald für viele die wichtigste wirtschaftliche Grundlage ist. Wie kann diese Nutzung nachhaltig und nach ökologischen Grundsätzen geschehen, aber auch ökonomisch ertragreich sein? Und wie weit wird die Nutzung des Waldes durch andere, ob durch öffentliche Einrichtungen oder Privatpersonen, auch entsprechend mitgetragen, unterstützt und abgegolten?“

 

Multitalent Ökosystem Wald

Der Wald ist nicht nur Wirtschafts-, Lebens- und Erholungsraum, sondern er liefert erneuerbare Rohstoffe, schafft Arbeitsplätze und Einkommen, spendet sauberes Trinkwasser, ist Hort für Biodiversität, schützt vor Naturkatastrophen und spielt eine entscheidende Rolle im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Diese vielfältigen Aufgaben gilt es nachhaltig durch die Waldbesitzer zu managen, um den Wald und seine wichtigen Funktionen für uns und unsere Nachkommen zu sichern.

 

Dir. Dr. Martin Ozimic, Geschäftsführer des Gemeindebundes Steiermark, machte auf die vielfältigen und wichtigen Funktionen des Waldes aufmerksam: „Mit rund 1,5 Mio. Hektar Waldfläche, die über die gesamte Steiermark verteilt ist, hat der Wald neben dem Aspekt der Holzbewirtschaftung auch andere bedeutende Aufgaben. Neben der für die Gemeinden gerade in Zeiten turbulenter Wettersituationen besonders wichtigen Funktion der rund 172.000 Hektar Standortschutzwald, ist vor allem die große Bedeutung des Waldes für die hohe Trinkwasserqualität hervorzuheben. Die positive Wirkung des Waldes auf das Klima hat in Zeiten eines erhöhten Umweltbewusstseins und der weltweiten Klimaerwärmung einen hohen Stellenwert für die Steiermark. Letztendlich bildet Wald auch mit Zustimmung der Grundeigentümer einen unersetzbaren Erlebnisraum für die Menschen in unserem Land. Aus all diesen Gründen muss uns allen der Schutz, die Bewirtschaftung und der nachhaltige Fortbestand von flächendeckenden Wäldern ein Anliegen sein.“

 

"Intakte Ökosysteme stellen eine unverzichtbare Lebensgrundlage für die Gesellschaft dar. Sie erbringen eine Vielzahl wertvoller Ökosystemleistungen – die Wälder etwa als Wasserspeicher, Luftfilter, Rohstofflieferant oder Schutz vor Naturgefahren wie Lawinen, Steinschlag oder Erosion. Bewertungen und Messungen dieser Ökosystemleistungen stellen eine wichtige ökonomische Entscheidungsgrundlage dar, wenn man den wahren Wert der Natur kennt“, so DI Gerald Plattner, Leiter Naturraummanagement der Österreichischen Bundesforste (ÖBf).

 

Natur nützen. Natur schützen. – ein nachhaltiger Lösungsansatz

Neben den steigenden Herausforderungen des Klimawandels steigt auch zunehmend das gesellschaftliche Interesse am Erholungsraum Wald. Die Aufrechterhaltung der vielfältigen Waldleistungen für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft erfordert einen schwierigen Interessenausgleich durch die Waldbesitzer und verursacht zunehmend hohe Aufwendungen für diese.

 

„Das Forstgesetz weist der Forstbehörde die Aufgabe der Wahrung der öffentlichen Interessen an der Walderhaltung zu. Mit dem Waldentwicklungsplan (WEP) gibt der Gesetzgeber der Forstbehörde ein Instrument in die Hand, diese öffentlichen Wirkungen flächenbezogen zu bewerten, ersichtlich zu machen und dient der WEP in weiterer Folge als wesentliche für den Vollzug der forstgesetzlichen Bestimmungen. Für die Schutzwirkung, die so augenscheinlich und unmittelbar wirkt, fällt es am leichtesten, diese Wirkung (auf wissenschaftlicher Basis) darzustellen und die Akzeptanz bei den Eigentümerinnen und Eigentümer sowie auch in der Bevölkerung zu schaffen. Die erhöhten öffentlichen Wirkungen werden derzeit dahingehend unterstützt, dass Waldeigentümer für die Durchführung von wirkungsbezogenen Maßnahmen Förderungen erhalten können. Eine Abgeltung von zur Verfügung gestellten Waldwirkungen in Form einer Leistungsabgeltung ist derzeit nur für einzelne Naturschutzleistungen vorgesehen“, erklärt OFR DI Herwig Schüssler, Landesforstdirektion.